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Punktwertverfall bedroht Landarztpraxis März 15, 2008

Posted by toebi in Uncategorized.
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Hausärztin in Niedersachsen in Honorarnöten / Kostensenkung und IGeL-Angebote als Rettungsanker (Ärztezeitung)

WREMEN (cben). „Ich mache erst mal weiter.“ Wenn die hausärztlich tätige Kinder- und Jugendärztin Dr. Renate Grützner über ihre Arbeit spricht, klingt das ziemlich resigniert. Ihre Praxis werfe nicht mehr genug ab, erklärt die 58-jährige Ärztin: „Was sollte ich jetzt machen?“ Ins Krankenhaus gehen? In die Kurklinik? In ein Gesundheitsamt? „Das könnte ich nicht und das will ich auch nicht.“

Grützner lebt und praktiziert auf dem platten Land – in Wremen, einem 2000-Einwohner-Ort nördlich der Wesermündung, nicht weit von der Nordsee-Küste. Dort gibt es eine weitere Hausärztin, einen Zahnarzt, die Apotheke „Seestern“, das Hotel „Treibsand“ und den Bäcker Dahl. In Wremen wohnt man nicht, in Wremen ist man zu Hause. „Ich bin hier verwurzelt“ sagt die Ärztin.

Engagement in der Dorfpolitik gehört für die Ärztin dazu

In der Tat: Zum zweiten Mal sitzt sie für die freie Wählerinitiative „Wremer Liste“ im Gemeinderat. Die Fraktion ist fast so stark wie die SPD und die CDU zusammen – eine echte Bürgerangelegenheit. Hier kümmert sich Grützner zusammen mit den anderen Ratsdamen und -herren um den Ausbau der Straße, den Kindergarten, den Dorfplatz oder die jährlichen Dorffeste. „Ich bin seit 25 Jahren hier“, sagt Grützner, „inzwischen betreue ich Mütter, die ich schon behandelt habe, als sie noch Säuglinge waren.“

An Grützners Landpraxis könnte sich zeigen, welche Realität hinter dem Schlagwort „Ende der wohnortnahen, ambulanten Patientenversorgung durch den Hausarzt“ stehen könnte. Nicht nur in Hinblick auf die medizinischen Aspekte der Patientenversorgung. Auch die Kultur der Zusammengehörigkeit, welche die Hausärzte mit ihren Patienten pflegen, könnte unter die Räder kommen.

Medizinische Versorgungszentren, Praxisgemeinschaften, die an Krankenhäuser angebunden sind, Kooperationen von Hausärzten und anderen medizinischen Fachberufen – für solche Konstruktionen ist Wremen und seine Umgebung zu klein. „Früher bin ich mit 800 bis 900 Scheinen gut klargekommen. Heute ist das anders“, sagt Renate Grützner. Der Grund: In Niedersachsen wurde kurz vor Jahreswechsel der Punktwert über alle Praxen gerechnet von 3,4 Cent um 15 Prozent auf 2,9 Cent gesenkt und das Punktevolumen im Regelleistungsvolumen um 15 Prozent angehoben.

„Armenhaus der Republik“, klagt Grützner über Niedersachsen. Der neue EBM mit seinen umstrittenen Pauschalen macht es für die Landärztin nicht einfacher. „Ich biete in meiner Praxis an, was ich immer angeboten habe, das heißt: viel Beratung. Darum könnte es bald wirklich eng werden für mich.“

Denn lange Gespräche kann Grützner mit dem EBM 2008, anders als früher, nicht mehr einzeln abrechnen. Sie sind in der Regel in der Pauschale enthalten. Die Ärztin fürchtet nun, dass sie in diesem Jahr weitere Einbußen verkraften muss. Schon 2007 verzeichnete sie Einnahmerückgänge von zehn bis 20 Prozent. „Es waren immer noch 44 Euro pro Fall. Aber für das dritte Quartal 2007 waren es nur noch 38 Euro pro Fall. Wie soll das weitergehen?“

Grützner greift verstärkt zu IGeL-Angeboten und versucht aus ihrer Zulassung als Badeärztin Gewinn zu schöpfen. „Die Menge ist das aber nicht.“

Der letzte Lehrling ging vor anderthalb Jahren

Den letzten Lehrling hat Renate Grützner schon vor anderthalb Jahren entlassen und keine neue Auszubildende eingestellt. Und ihren drei Arzthelferinnen, die eigentlich 30, 14 und acht Stunden pro Woche in der Praxis arbeiten, muss sie abverlangen, dass sie nur dann arbeiten, wenn auch Patienten da sind. „Ich habe immer nach Tarif bezahlt und Weihnachtsgeld ausgezahlt“, sagt Grützner, „Aber wie lange geht das noch so?“ Bisher haben die Mitarbeiterinnen alle Maßnahmen mitgetragen. Jetzt warte sie auf den April, sagt Grützner: „Da kommt die Abrechnung für das vierte Quartal 2007.“

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