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Symposium zeigte beeindruckende Vielfalt: Erwachsenen-Kieferorthopädie bietet viele Ansätze für die Praxis August 13, 2011

Posted by toebi in Aktuelles.
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Das von der Initiative Kiefergesundheit/IKG und Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden/BDK veranstaltete Symposium „Prävention – Funktion – Ästhetik“ Anfang Mai in Düsseldorf erwies erstmals mit komprimierter Übersicht einem Thema Referenz, das in der modernen Kieferorthopädie eine immer größere Bedeutung erlangt.  „Kieferorthopädische Verfahren in der Erwachsenenbehandlung sind nicht nur ein bedeutender Faktor in unserem eigenen Berufsstand,“ so Dr. Gundi Mindermann, 2. Vorsitzende der IKG und BDK-Bundesvorsitzende, „sondern sie erweitern auch erheblich das Behandlungsspektrum und die Behandlungsvielfalt in den zahnärztlichen Praxen, nicht zuletzt auch im Bereich der Prävention. Erwachsenenkieferorthopädie, das muss uns bewusst sein, ist etwas Eigenes – das zeigt sich nicht zuletzt an einer völlig anderen Risikoaufklärung und an anderen therapeutischen Konzepten im Vergleich zu denjenigen bei den Kindern. Und wie wir sehen: Die Unterschiede zeigen sich auch im erheblich gestiegenen Ablehnungsmanagement der Kostenträger.“  Ein Thema, zu dem RA Stephan Gierthmühlen im Laufe des Symposiums einige praxisnahe Beispiele lieferte. Insbesondere der Bereich der präprothetischen Möglichkeiten sei derzeit weder bei den Kieferorthopäden noch bei den Zahnärzten ausreichend bekannt, so Dr. Mindermann, dabei sei es ein ungemein dynamisches Fach: „Die reine Erwachsenen-Kieferorthopädie wird ein Zukunftsgebiet, auch, weil unsere Patienten so dankbar sind für den Benefit, den sie bietet!“

Kooperieren statt Versuchen

Das Übersichtsthema „Die Rolle der Kieferorthopädie im interdisziplinären Kontext“ vermittelte Prof. Dr. Angelika Stellzig-Eisenhauer/Würzburg, zugleich Wissenschaftliche Leiterin des Symposiums. Sie verwies ebenfalls auf die wachsende Bedeutung der Erwachsenen-Kieferorthopädie, zeigte aber auch Risiken bei ungenügender Einbindung in die jeweiligen Fachrichtungen. Ein Beispiel-Fall zeigte eine Patientin mit Nichtanlagen der oberen Zweier, die vom Zahnarzt in Vorbereitung einer Implantation protrudiert wurden. Folge war imkompetenter Lippenschluss mit unkontrollierbarem Speichelfluss. Fehler dieser Art könnten durch einen interdisziplinären Ansatz häufig verhindert werden. Insbesondere wenn Veränderungen in Stellung und Funktion von Zähnen oder Kiefer erreicht werden sollen, sei ein Konsil bei den kieferorthopädischen Kollegen sinnvoll.

Anfragen steigen

Dass die neue Rolle der Kieferorthopädie in der Zahnmedizin langsam Raum greift, berichtete Fachzahnarzt Dr. Björn Ludwig/Traben Trarbach: „Wir werden immer öfter auch von Chirurgen angesprochen und um Rat gebeten“, sagte er in seinem Beitrag zu „Skelettalen Verankerungen“. Hauptindikation seien zwar große Zerstörungen, aber auch andere Fälle könnten mit Schrauben optimiert gelöst werden. Nicht zuletzt die Implantologie habe seinen Blick auf die Aufgaben für die Kieferorthopädie erheblich verändert: „Es geht nicht alles besser mit Kieferorthopädie, aber man erweitert sein Spektrum – und wir unseres auch.“ Die Bedeutung der dentogingivalen Faseranordnung und die Risiken für die Nachhaltigkeit der Therapie erläuterte PD Dr. Dankmar Ihlow mit Blick auf Retention. Er erinnerte an die lebenslange Tendenz der Fasern, sich an ihren bisherigen Platz zurückzubewegen und die entsprechend notwendige Aufklärung der Patienten: „Der neue Retentionskatalog in Zusammenarbeit mit dem BDK ist sehr hilfreich als Orientierungsrahmen und auch für die Gespräche mit den Patienten!“

In vier zeitversetzt parallel angebotenen Workshops ging es um Schnarchtherapie, um Interaktionen mit Prothetik, Implantologie & Parodontologie, um Lingualtechnik und das Pro und Contra zur Alinger-Behandlung. Dr. Britta Jung und Dr. Elena Krieger/Universitätsklinikum Mainz verwiesen auf die wachsende Anzahl älterer und alter Patienten in den Praxen. Die Behandlung erwachsener Patienten zeige eine gänzlich andere biologische Ausgangssituation als bei Kindern, Knochenstruktur und desmodontales Bindegewebe seien eine Herauforderung, ebenso atrophierte Kieferkämme. Auch für diese Anforderungen sei die moderne Kieferorthpädie gerüstet. Als dienlich für die weitere Verbreitung von Erwachsenenkieferorthopädie erweise sich auch die Lingualtherapie, wie Dr. (H) Esfandiar Modjahedpour/Krefeld und Dr. Julia Tiefengraber/Meerbuch an Beispielen zeigten. Das Verfahren erleichtere erwachsenen Patienten die Akzeptanz von kieferorthopädischen Apparaturen, wenn operative Maßnahmen nicht gewünscht oder sinnvoll sind. Dabei vermittelten sie ihrem Auditorium zahlreiche praktische Tipps, wie Leben und Alltag der Patienten mit „versteckten“ Brackets erleichtert werden kann und auch, wie man an das „andere Kleben“ herangeht.

Dass Aligner ein großes Thema für die Praxis sind, zeigte sich nicht zuletzt an dem fast überfüllten Workshop-Saal – dass das Verfahren aber auch der Wissenschaft noch ein paar Fragen stellt, wurde ebenfalls deutlich. Referent Dr. Jörg Schwarze/Köln nahm seinen Auftrag, die Pros und Contras darzustellen, bei aller eigenen Begeisterung für das Verfahren sehr ernst und verwies auf noch zu erbringende Nachweise zu Entstehung und Auswirkung der ausgeübten Kräfte. Das Kraftpotential bei den Alignern sei recht verschieden. Die kleineren Kräfte seien geradezu perfekt bei Kippungen und kontrollierten Kippungen, bei Extrusionen seien Aligner nicht die erste Wahl und bei Translation und Torque nicht das richtige Vorgehen. Teils provozierend waren die Positionen von Referent Prof. Dr. Dr. Edmund Clemens Rose/Schweiz zum Bereich Schnarch-Therapie: „Einfach eine Schiene einsetzen ist der falsche Weg“, warnte er. Er forderte dazu auf, vor Planen und Einsetzen einer Schiene erstens die Position der Obstruktion zu beachten („… verändert sich im Schlaf je nach Rückenlage, Seitenlage oder sonstiger Lage des Patienten“) und zweitens die Funktion der geplanten Schiene in der Anwendung entsprechend zu testen.
Das untermauerte die zentrale Forderung von Professor Stellzig-Eisenhauer: „Eine enge Vernetzung der Kieferorthopädie in der Zahnmedizin und auch ein interdisziplinäres Verständnis in den medizinischen Fächern ist unbedingt notwendig.“

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